Im März fällt der letzte Vorhang

Kölnische Rundschau, 25. Oktober 2000
Warum die Machtwächter nicht mehr durch den TÜV wollen – 35jähriges Bestehen wird noch gefeiert
Von Thomas Linden

Mit ihrem 27. Programm, das sie zur Zeit noch spielen und das den bezeichnenden Titel „Spaß-Gesellschaft“ trägt, werden die Machtwächter ihre 35jährige Kabarett-Karriere im März beenden, wie die „Rundschau“ bereits in der vergangenen Woche berichtet hatte. Neben der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und den Berliner Stachelschweinen zählte das Kölner Ehepaar Fischer und Herrtrampf zu den Säulen des politischen Kabaretts in Deutschland.

Aber auch berufsmäßigen Spöttern fällt das Aufhören nicht leicht, wie Wiltrud Fischer jetzt beobachten konnte. Ihr Bühnen- und Lebenspartner erklärt der Presse zwar mit typisch männlichem Schneid: „Ich habe mich damit abgefunden und weiß, dass es auch noch etwas anderes als Kabarett gibt. Manche Schauspieler wünschen sich ja, auf der Bühne tot umzufallen – ich nicht.“

Aber dann erzählt sie, was sie abends nach dem Ende der Vorstellung beobachtet, wenn die Besucher das kleine Theater in der Gertrudenstraße so langsam verlassen. „Dann sehe ich einen Mann, de hinter der Bühne sitzt und zum Taschentuch greift“, und sie fügt mit dem ihr eigenen Temperament lachend hinzu: „Ich kann nicht so leicht weinen, und mir fällt es noch schwerer aufzuhören.“

Der Anlass für den plötzlichen Abgang der Machtwächter liegt in einem strengen TÜV-Gutachten, das die elektrischen Anlagen des Theaters beanstandet. Zwar hätte sich der Hauseigentümer (die Berufsgenossenschaft der Elektrotechniker) noch bereit erklärt, die 150.000 Mark teurer Sanierung zu übernehmen. Doch da die Kabarettisten ohnehin noch höchstens vier Jahre spielen wollten, beschlossen sie, nun mit dem im März anstehenden 66. Geburtstag von Heinz Herrtrampf das 35jährige Bühnenjubiläum zu begehen und die Machtwächter aufzulösen. Bis der letzte Vorhang fällt, wird auch Wully Hoyer dabei sein, der die beiden über 35 Jahre mit seinen musikalischen Arrangements begleitete.

Zuvor gibt es am 4. Dezember jedoch eine dritte große Auszeichnung für die Machtwächter, die nach dem Kleinkunstpreis und dem Verdienstorden NRW den erstmals vergebenen Ehrentheaterpreis erhalten, der im Rahmen des Kölner Theaterpreises im Media Park verliehen wird. „Ich gebe zu, ich freue mich“, gesteht Wiltrud Fischer angesichts dieser Entscheidung, und sie zeigt sich überrascht angesichts der zahlreichen Versuche von Fans und Presseleuten, sie doch noch zum Weitermachen zu überreden.

Heinz Herrtrampf wartet freilich sofort mit einer Erklärung auf, wenn er sagt: „Die sind einmal im Jahr zu uns gekommen, um zu kontrollieren, ob wir alle noch der gleichen Meinung sind.“

So wird Kabarett zur Institution. Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieses Ehepaar, dessen politischer Witz in den Sechzigern rundweg als Skandal empfunden wurde, so zählebig sein könnte. „Wir haben uns schon auf der Bühne ausgezogen, da konnte Ingo Appelt das Wort noch nicht buchstabieren, das er so gerne und so oft benutzt“, erklärt Heinz Herrtrampf spöttisch.

Tatsächlich verliert das politische Kabarett mit dem Ende der Machtwächter wieder ein Stück an Boden gegenüber der Schwemme von Comedy-Artisten. Das wissen die beiden, und Heinz Herrtrampf wird denn auch das Herz schwer, wenn er sagt: „In Zukunft bleibt die kleine Kellertür in der Gertrudenstraße einfach zu“, um dann noch schnell hinzuzufügen: „Denkt an uns.“