Auf der Spur der Spaßgesellschaft
WELT am SONNTAG, 19. Dezember 1999
Auch im 34. Jahr präsentiert sich das Kölner Kabarett „Machtwächter“ mit seinem neuen Programm in gewohnt respektloser Manier
Von Ingeborg Pior
Einträchtig saßen sie beieinander auf den roten Stühlchen im kleinen Theater der Kölner „Machtwächter“, der neue und der alte Oberbürgermeister, Harry Blum und Norbert Burger. Wohl wissend, dass sie nicht ungeschoren davonkommen würden, wenn Wiltrud Fischer und Heinz Herrtrampf im 34. Jahr ihres respektlosen und immer noch taufrischen Kabaretts zur Premiere ihres 27. Programms laden würden.
Fast schon ein gesellschftliches Ereignis mit viel Prominenz, obwohl doch genau dieser Gesellschaft mit ihrer „Bonsai-Korruption à la Heugel“ von den zwei Narren da oben auf der Bühne der Zerrspiegel vorgehalten wird. Aber die Kölner, vom gemeinen Untertan bis zum regierenden Fürsten, lieben nun einmal ihre Macht- und Tugendwächter, so viele Blumensträuße sieht man selten bei einer Premiere.
Das schöne, alterslose Paar, rank und schlank dank vegetarischer Kost – so charmant, so liebenswert und so abgrundtief böse, wenn es darum geht, deutsche Seelensümpfe zu durchforsten. Dafür wurde ihm in dieser Woche der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen.
Der so genannten Spaßgesellschaft sind Frau Brettschneider und Herr Schrotzmann, Partner der Agentur „Spaß 2000 – Communication and Commercial Consulting Service Agency“ stets gern zu Diensten. Ob Talkshow-Schwachsinn oder Erlebnis-Kreuzfahrten für Politiker, ob Millenniums-Zauber und der damit verbundene „Cero-Cero-Computer-Crash“, ob ehrgeizige Turbo-Mütter mit dem „Hilmar-Kopper-Blick'“, die ihre Kinder zu Höchstleistungen treiben, ob Schröder und der Holzmann-Effekt („da ist dem Kanzler ein bisschen Stallgeruch in die Armani-Hose gefallen“) oder einfach nur die umweltfreundliche Entsorgung der toten Katze – atemlos spurtet das Duo durch moderne Zeiten.
Sie treffen mitten ins Herz der Spaßgesellschaft – und ziehen ihr manchen faulen Zahn.